Prof. Theo  Boer galt viele Jahre lang als Befürworter der niederländischen Euthanasie-Gesetzgebung, er war auch neun Jahre Mitglied einer Euthansieprüfungs-Kommission. In diesem Interview erläutert er,  dass durch die niederländische Gesetzgebung neue Grauzonen entstanden sind, die fatale Folgen haben: Zum Beispiel, dass Menschen, die nicht das Sterben, sondern das Leben fürchten, jetzt auch Euthanasie bekommen. Oder auch dass Menschen, die ihren Willen nicht mehr äußern können z.B. wegen ihrer Demenz aufgrund einer oft Jahre zurückliegenden Willenserklärung euthanasiert werden können, obwohl niemand weiß, ob sie ihre Meinung inzwischen geändert haben. Das Angebot der professionellen Tötung von Verzweifelten sei kein Signal der Hoffnung für die Betroffenen, sondern der Beleg dafür, dass sie von der Gesellschaft aufgegeben wurden, meint Boer. Tatsächlich dürfte man annehmen, dass sich mit zunehmender Qualität der Palliativmedizin die Zahl der Euthanasiegesuche verringern sollte. In den Niederlanden ist jedoch das Gegenteil der Fall. Die Euthanasiegesuche steigen. Boer erklärt das damit, dass die Menschen nicht mehr aus Angst vor Schmerz, sondern aus Gründen der Autonomie aus dem Leben scheiden wollen. Ein Grund dafür ist in der zunehmenden Entsolidarisierung der Gesellschaft zu suchen, den Menschen würde vermittelt: "Unsere Gesellschaft kann auch gut ohne euch existieren".

Autor: Rehder, Stefan
Erscheinungsjahr: 2020
Umfang: 8 Seiten
Medientyp: Zeitungsartikel, Unterrichtsmaterial
In: Johann-Wilhelm-Naumann-Stiftung (Hg.): Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur. 29.10.2020
Ort: Würzburg, Deutschland
Verlag: Johann Wilhelm Naumann Verlag GmbH
Datenbank-ID: 2020-REH-0201